Eine Analyse und Bewertung der ungarischen Politik

Letztes Jahr habe ich zwei Dokumentarfilme über Ungarn gesehen, „Hallo, Diktator“ von ARTE und „Ungarn: Propaganda gegen Pressefreiheit“ vom ZDF. Beide haben mich fasziniert. Ich lese gerne Krimis und Abenteuerromane, und die Politik in Ungarn steht dem an Spannung in nichts nach: Gute und böse Jungs, Intrigen, Lügen, Doppelzüngigkeit, Betrug, Erpressung und Manipulation.

Am meisten beeindruckt hat mich die Arbeit der investigativen Journalisten, die trotz Drohungen und Überwachungen daran arbeiten, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Meinen Artikel widme ich ihnen.

Jedes europäische Land kann Mitglied der Europäischen Union werden, wenn es die demokratischen Werte der EU teilt und sich für ihre Förderung einsetzt. Leider gibt es Mitglieder, denen es nach dem Beitritt schwerfällt, diese Mindestforderungen zu erfüllen. Ja, Ungarn, ich spreche von dir.

„Wir sind der Sand in der Maschine, der Stock zwischen den Speichen, der Dorn unter dem Fingernagel. Wir sind der David, den Goliath besser meiden sollte.“– Typisch für Orbán: Größenwahn und politische Feindbild-Rhetorik.

Warum ist es in Ungarn so weit gekommen und gibt es überhaupt einen Ausweg? Ungarn, welches bis 1989 zum Ostblock gehörte, konnte sich erst ab 1990 demokratisch entfalten. In den letzten 30 Jahren sind verschiedene Parteien und politische Figuren gekommen und gegangen, aber Orbán ist geblieben.

2010 gewann er mit seiner Partei Fidesz die Wahlen. Seitdem ist Orbán mit einer Zweidrittelmehrheit an der Macht und tut so, als würde er immer noch ein demokratisches Land regieren. Nachdem er in der Vergangenheit bereits mehrere Niederlagen einstecken musste, hat er neue Regeln aufgestellt, um sicherzustellen, dass dies bei künftigen Wahlen nicht mehr passiert. Mit einer absoluten Mehrheit ging alles schnell und einfach.

 Hier sind die wichtigsten Maßnahmen, die Orbán ergriffen hat, um ein autoritäres System in

Ungarn auszubauen:

1. Medien

Er schloss zahlreiche Fernsehsender und Zeitungen oder übergab sie in befreundete Hände; er verstaatlichte und vereinheitlichte ländliche Zeitungen, um sie für die Regierungspropaganda zu nutzen. Er besetzte die Medienbehörde mit regierungstreuen Personen und setzte die Spionagesoftware Pegasus ein, um oppositionelle Journalisten zu überwachen.

2. Parlamentswahlen

Er hat das Wahlsystem zum Vorteil der Regierung reformiert: die Wahlbezirke wurden neu eingeteilt, Scheinparteien finanziert, um die Chancen der Opposition zu schwächen, usw.

3. Rechtstaatlichkeit

Er schuf eine zentrale Macht (NER = System der nationalen Kooperation), um das Land zu kontrollieren, schrieb die ungarische Verfassung mehrmals um, ernannte Parteisoldaten in Schlüsselpositionen (z. B. Staatsanwaltschaft, Gericht, Rechnungshof, Verfassungsgericht, Medienbehörde, usw.). Seit 2020 ist das sog. Ermächtigungsgesetz in Kraft, das das Parlament praktisch bedeutungslos macht, da Orbán per Dekret regieren kann, ohne die Zustimmung des Parlaments für seine Gesetze einholen zu müssen.

4. Wirtschaftft / Finanzen

Die allgegenwärtige Korruption wurde alltäglich, ja sogar akzeptiert: sein Jugendfreund, ein Gasinstallateur, wurde zu einem der reichsten Männer des Landes, ebenso wie sein Schwiegersohn. Und obwohl der Premierminister selbst ein Mann „mit wenigem Geld“ ist, geht es mit dem Vermögen seiner Freunde und treuen Unterstützer steil bergauf. Seit 2010 wurden 32 Stadien für 350 Milliarden Euro gebaut, während öffentliche Krankenhäuser, Pflegeheime und Schulen heruntergewirtschaftet werden und es an Geld und Personal mangelt.

 5. Kultur

Personen, die weder über die nötige Erfahrung noch über die erforderliche Ausbildung verfügten, aber Orbán treu ergeben waren, wurden zu Leitern von Kinos und Theatern ernannt. Das ungarische Filminstitut wurde für die Produktion von Propagandafilmen genutzt, und Künstler wurden gekauft, um dem Regime zu dienen.

6. Bildung

Er schaffte die freie Wahl der Schulbücher ab und richtete eine Institution ein, die alle öffentlichen Schulen beaufsichtigt, Lehrpläne festlegt und über Lehrmittel, Personal und Beschaffung entscheidet.

Die Zahl der kirchlichen Schulen wurde drastisch erhöht, die Zahl der kostenlosen Studienplätze wurden reduziert, die Universitäten wurden in parteinahe Stiftungen organisiert, die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA) wurde zerschlagen und die Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) wurde von einer Orbán nahen Stiftung übernommen.

Orbáns Position ist in Ungarn so stark, dass seine Wähler sich lieber mit ihm verändern, als ihn aufzugeben. Das vielleicht beste Beispiel dafür ist das Verhältnis zu Russland: Die Fidesz Wähler waren vor zehn Jahren die russlandfeindlichste Wählerschaft in Ungarn, jetzt aber – laut Umfragen – akzeptieren sie die prorussische Politik der Regierung voll.

Und was sagt die EU dazu, nachdem sie bis zum 1. Januar 2023 zur Finanzierung des Aufbaus autoritärer Strukturen in Ungarn massiv beigetragen hat?

„Ungarn ist keine voll funktionsfähige Demokratie mehr“, erklärten die Europaabgeordneten in einem Bericht vom 15. September 2022. Leider kamen sie mit dieser Erklärung zehn Jahre zu spät. Die Realität ist aber viel härter: Ungarn ist eine faschistische Diktatur und Orbán übt eine Willkürherrschaft aus. Dank der oben genannten Maßnahmen kann er nicht mehr demokratisch ersetzt werden.

Margarethe Radszys

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