Hallo, ich bin Konrad und bin gerade für ein Auslandsjahr in den USA. Ich lebe mit meiner Gastfamilie und einem anderen Austauschschüler aus Thailand (JJ) im Bundesstaat Georgia. Wir leben im Bezirk „Macon County“ in der kleinen Stadt Montezuma. Montezuma hat um die 3000 Einwohner (Nein, ich habe keine Null vergessen) und eine kleine High-School. Ich erzähle euch jetzt, wie ein ganz normaler Tag hier in Georgia für mich abläuft.

Ich stehe um 6:30 Uhr auf, mache mich fertig und packe meine Schulsachen. Um sieben esse ich dann Frühstück, häufig einfach nur Toast, und etwa 10 Minuten später gehen mein Gastbruder und ich zur Einfahrt, um auf den Schulbus zu warten. Der Schulbus sieht genau so aus, wie ihr es vielleicht aus High-School Filmen kennt, also gelb mit schwarzen Streifen, und bringt uns jeden Morgen zur Schule. Wenn wir in der Schule angekommen sind, haben wir noch ungefähr eine halbe Stunde Zeit, bevor der Unterricht beginnt. Der Unterricht besteht jeden Tag aus den gleichen sechs Stunden und geht von 8:00-15:30 Uhr.

In der ersten Stunde habe ich US History, ein Fach, indem es ausschließlich um die Geschichte der USA geht. US History ist für mich sehr interessant, weil ich dort Dinge lerne, die im deutschen Schulsystem gar nicht vorgekommen wären. Wie sich manche von euch aber bestimmt schon gedacht haben, ist das nicht sonderlich hilfreich, um die globale Geschichte und die Zusammenhänge im Hier und Jetzt zu verstehen. Das finde ich für alle anderen Schüler relativ schade, da mehr Jahresdaten und Namen von Präsidenten hängen bleiben, als eine konkrete Vorstellung davon, wie sich welche Gesellschaften und Kulturen im Laufe der Zeit entwickelt haben. Auch außerhalb der Vereinigten Staaten. Dieses Schulfach passt perfekt zum Stereotypen, dass Amerikaner es nicht mögen, über den Tellerrand in den Rest der Welt zu gucken. Dieses Stereotyp ist meiner Erfahrung nach aber überhaupt nicht wahr und tatsächlich sind alle Amerikaner, mit denen ich bisher gesprochen habe, sehr am Rest der Welt und an Deutschland interessiert. Allerdings muss man sagen, dass es ihnen das Bildungssystem nicht leicht macht, viel über die Welt außerhalb der USA zu lernen. Und genau dadurch ist das Wissen bei vielen relativ gering und wird dann oft für Dummheit gehalten.

Nach US History geht es zur nächsten Stunde, für mich ist das American Literature. In American Literature geht es, wie auch hier der Name verrät, um die Literatur, die aus Amerika stammt und/oder Amerika als Thema behandelt. Bisher war das mit Abstand wichtigste Thema in diesem Fach der Amerikanische Traum, und wie er sich im Laufe der Zeit verändert und gewandelt hat. Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet ein Fach über Literatur mein Lieblingsfach wird, ohne jetzt irgendwelche Deutschlehrer verärgern zu wollen selbstverständlich. Ich finde das Fach und das Thema sehr interessant und es macht mir immer wieder Spaß, die „amerikanische Brille“ aufzusetzen und zu versuchen, zu verstehen, was in den Menschen dieses Landes vor sich geht. Je mehr man sich in die amerikanische Denkweise einarbeitet, desto mehr kann man verstehen, was dazu geführt hat, dass Trump zum Präsidenten wurde und warum er auch jetzt wieder der aussichtsreichste Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen ist.

Nachdem ich dann für eine Stunde mithilfe amerikanischer Literatur die „amerikanische Brille“ aufgesetzt hatte, gehe ich zu Algebra 2. Dieses Fach entspricht etwa unserem Matheunterricht, im Gegensatz zu den Stunden davor gibt es keine großen Unterschiede zu Deutschland und ich habe kaum etwas dazu zu sagen, denn ihr alle wisst ja, wie Matheunterricht so abläuft.

Wenn die Mathestunde dann vorbei ist und ich mich für den Tag genug mit „x“ herumgeschlagen habe, geht es dann zur Mittagspause in die Cafeteria. Dort wird sich auch ab und zu herumgeschlagen – und das ist sehr wörtlich gemeint. Tatsächlich gibt es ab und zu Kämpfe zwischen Schülern, die sich aus irgendwelchen Gründen nicht mögen. Diese Kämpfe werden normalerweise recht schnell von den Lehrern beendet, trotzdem ist es ein großes Spektakel und für mindestens zwei Tage ist zumindest ein Gesprächsthema gesichert. Jedes Mal, wenn es einen Kampf gibt, kommen außerdem plötzlich lauter Handys zum Vorschein und für die nächsten paar Tage können alle, die den Kampf verpasst haben oder einen schlechten Blick hatten, sich dann die verwackelten Aufnahmen angucken.

Nach der Mittagspause habe ich dann Spanisch. Dazu muss man allerdings noch sagen, dass es keinen Spanischlehrer gibt. Deshalb muss ich einen Onlinekurs belegen, um den Belegungsverpflichtungen aus Deutschland nachzukommen. Ich nehme sehr stark an, dass sich niemand für die Details meines Onlinekurses interessiert, und das nehme ich euch nicht übel, denn es ist zugegebener Maßen nicht besonders interessant.

Danach habe ich noch „Business and Technology“, was größtenteils eine Art Informatikunterricht mit ein bisschen Wirtschaft ist. Bisher hat sich unser Unterricht insbesondere um Excel und die nahezu unendlichen Möglichkeiten dieses Programms gedreht. Um auch dem „Business“ im Namen des Faches gerecht zu werden, machen wir ab und zu Aufgaben zum Thema Unternehmensaufbau und Führungsstärke. Ansonsten lässt es unser Lehrer manchmal auch recht ruhig angehen, sodass etwas Zeit bleibt, um sich zu entspannen oder die Hausaufgaben, die man aus den vorherigen Stunden mitgebracht hat, schonmal anzufangen. Für die Ruhe und die Gelegenheit, zu entspannen, bin ich (wie der ganze Kurs) immer sehr dankbar.

Nach einer kleinen Pause zum Durchatmen muss ich dann zu Physical Science. Das ist eine Mischung aus Chemie und Physik, allerdings auf sehr simplem Niveau, sodass ich dort problemlos zurechtkomme. Tatsächlich muss man sagen, dass es ein Niveau ist, dass wohl eher den 6ten Klassen des Johanneums entspricht.

Sobald die Schule vorbei ist, haben mein Gastbruder und ich noch Training mit dem Fußballteam der Schule, das macht immer viel Spaß. Wie ihr euch vorstellen könnt, tut es auch immer gut, wenn man ein bisschen Bewegung bekommt, nachdem man für die letzten acht Stunden fast nur herumgesessen hat. Das Training ist dann um ca.18:30 Uhr zu Ende und mein Gastbruder und ich werden von unserem Gastvater abgeholt.

Der ganze Schultag ist im Vergleich zum Johanneum sehr viel länger und es bleibt am Ende des Tages viel weniger Zeit, über die man frei verfügen kann. Manchmal denke ich mir auch, dass es schade ist, dass wir von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Schule sind. Fairerweise muss ich aber zugeben, dass ich mir das Fußballtraining selbst ausgesucht habe und auch nichts Besseres zu tun hätte.

Ein großer Unterschied zwischen der Schule in Deutschland und meiner High-School in den USA sind die Sicherheitsmaßnahmen, die hier allgegenwärtig sind. An meiner Schule hier gibt es den ganzen Tag zwei Sicherheitsleute, die in den Gängen stehen. Außerdem habe ich direkt am ersten Tag einen Schulrucksack bekommen, der aus einem netzartigen Stoff gemacht ist. Dieses Design führt dazu, dass man durch den Rucksack durchgucken kann und keine verbotenen Gegenstände (z.B. Waffen) mitgenommen werden können. So verrückt wie es auch klingt, in der Schule läuft jeder mit Rucksäcken herum, durch die man einfach durchgucken kann. Auch als ich mein Schließfach bekommen habe, musste ich eine Einverständniserklärung unterschreiben, in der es unter anderem darum ging, dass die Schule nach eigenem Ermessen und ohne nötigen Grund zu jedem Zeitpunkt mein Schließfach öffnen und durchsuchen kann. Dazu kommt auch, dass wir auf den Gängen nicht stehen bleiben dürfen und wie Scharfe von den Lehrern von Raum zu Raum getrieben werden. Durch diese ganzen Sicherheitsmaßnahmen habe ich mich an den ersten Tagen ironischerweise sehr unsicher gefühlt. Ich denke, mir sind die School Shootings in den USA auf einen Schlag sehr viel näher vorgekommen sind.

Ein letzter Hinweis für euch: Es ist zwar ein ganz normaler Schultag für mich ist, aber alle Austauschschüler machen individuelle Erfahrungen, bitte schließt also nicht von einer kleinen High-School in der Mitte von Georgia auf das ganze Land.

Konrad Sengpiel

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