Wolfsangel auf Stein (Foto: Martin Raabe)

Ist euch schon mal so ein merkwürdiges Zeichen (siehe Bild links) aufgefallen, als ihr in den umliegenden Dörfern Lüneburgs unterwegs wart? Es ist die sogenannte Wolfsangel, die häufig auf Findlingen vor den Höfen der völkischen Siedler eingeritzt ist und eines der Zeichen ihrer Bewegung darstellt. Dies ist eine Gruppe mit nationalsozialistischer, rassistischer Gesinnung. Die rechtsextremistischen Familienverbände kaufen im ländlichen Raum alte Höfe auf und versuchen ihre völkische Ideologie in der Dorfgemeinschaft zu verbreiten. Ihr regionaler Schwerpunkt liegt dabei im Großraum Lüneburg-Uelzen-Lüchow-Dannenberg.

Über diese Gruppe informierte Martin Raabe, Pastor und Mitbegründer der Gruppe „beherzt“, einer Gegenbewegung zu den völkischen Siedlern, im Rahmen eines Vortrags Lehrer*innen und Schüler*innen sowie weitere Interessierte. Die Informationsveranstaltung „Völkische Siedler im ländlichen Raum“ des Arbeitskreises Schule des Kriminalpräventionsrates fand am Donnerstag, den 22.02.24, in der gut besetzten Aula des Gymnasiums Johanneum statt.

Wer sind diese völkischen Siedler?

Obwohl sich immer mehr völkische Siedler in den Landkreisen Lüneburg und Uelzen niederlassen, haben viele Menschen noch nie davon gehört. Kein Wunder, denn auf den ersten Blick wirken die Familien wie nette, hilfsbereite Nachbarn, die sich in der Dorfgemeinschaft engagieren. Wenn man allerdings genauer hinschaut, kommt ihre wahre Gesinnung ans Licht: Sie glauben an die völkische Ideologie, wonach man Menschen in Kategorien nach wertvollem und unwertem Leben einteilen könnte, was laut Pastor Martin Raabe auch als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bezeichnet werden könne. Zudem vertreten sie die Vorstellung, dass es eine reine deutsche Rasse gäbe, und lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung ab.

Die Gemeinschaften lehnen eine moderne Lebensweise ab, was man unter anderem an ihrem traditionellen Kleidungsstil erkennen kann: Die Frauen tragen meist lange Röcke oder Kleider, die Männer volkstümliche Stoffhosen und Hemden. Sie leben abgeschieden auf dem Land, wo sie ungestört ihre nationalsozialistischen Feste und heidnischen Bräuche abhalten sowie ihre Kinder nach ihren Vorstellungen erziehen und diese schon früh mit dem stereotypen Rollenverständnis von Frau und Mann vertraut machen können. Völkische Jugendgruppen wie der „Sturmvogel“, dessen Vorbild die Hitlerjugend ist, dienen zusätzlich der nationalsozialistischen Erziehung der Heranwachsenden. Und nicht nur innerhalb der völkischen Familienverbände wird die rechtsextreme Einstellung ausgelebt: „Einige dieser scheinbar friedliebenden Nachbarinnen und Nachbarn tauchten im vergangenen Jahr auf Fernsehbildern als Teilnehmende einer Neonazi-Kundgebung auf“, berichtet Martin Raabe. Dies sei nicht die einzige rechte Demonstration, auf der man seine Nachbar*innen wiedersehe.

Die Bewegung der völkischen Siedler bildete sich im Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt in der Zeit des Nationalsozialismus. Heute verbinde das völkische Gedankengut verschiedene Gruppen, z.B. die AfD oder die „Artamanen“ (ein Fantasiewort, das vom Begründer der völkischen Bewegung Willibald Hentschel vor rund 100 Jahren geprägt wurde), die es unterschiedlich ausleben. Einige sind vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

„Graswurzelarbeit“

Die völkischen Gemeinschaften verfolgten laut Raabe eine über Jahre angelegte Strategie, mit deren Hilfe sie ihr Gedankengut in der Zivilgesellschaft verbreiten möchten. Dies tun sie meist, indem sie ehrenamtliche Positionen in öffentlichen Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Vereinen und sogar der Politik übernehmen. Diese Strategie nenne sich „Graswurzelarbeit“ – eine Entwicklung, die auf keinen Fall unterschätzt werden dürfe.

Zu den Zielen der völkischen Siedler zähle neben der Verbreitung des völkischen Gedankenguts die „Delegitimierung des Staates“. Dieser vom Verfassungsschutz eingeführte Begriff beschreibt die Ablehnung des Rechtsstaats und der Demokratie. Dies werde zum Beispiel durch systematische Verächtlichmachung des demokratischen Staates, seiner Institutionen und seiner Repräsentanten ausgedrückt.

Grund zur Beunruhigung gebe zudem die „Affinität der völkischen Siedler zur Selbstverteidigung, zum Kampfsport und zu Waffen“, meint Raabe. Affinität bedeutet in diesem Fall „Vorliebe“. Eine Vielzahl der an völkischen Gemeinschaften beteiligten Personen besitze Waffenscheine, da sie vor allem im ländlichen Raum Mitglieder von Jagdvereinen seien. Außerdem seien die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität im Bereich der völkischen Siedler und anderer Vereinigungen, zum Beispiel der Reichsbürger, in den letzten Jahren rapide gestiegen, wie das Landeskriminalamt bestätigt.

Im Widerstand – Die „Kreuze ohne Haken

Über 500 Personen und Familien haben sich bereits als Betroffene in der Gruppe „beherzt“ zusammengeschlossen, um Widerstand gegen die sich ausbreitende, völkische Szene zu leisten. Dies tun sie zum einen, indem sie andere Menschen informieren, zum Beispiel durch Veranstaltungen wie diese im Johanneum. Zum anderen stellen sie als Zeichen gegen rechte Gesinnung auffällige Kreuze in den Farben rot und gelb vor Höfen, Häusern, Rathäusern, Kirchen und Vereinen auf. Die sogenannten „Kreuze ohne Haken“ zeigen überall dort, wo sie aufgestellt sind, dass dort kein Platz für völkisches Gedankengut ist, sondern Vielfalt und Offenheit der Gesellschaft im Vordergrund stehen.

„Kreuz ohne Haken“ (Foto: Martin Raabe)

Trotz Widerständen und Hass lassen sich die Mitglieder nicht unterkriegen. Denn insbesondere zivilgesellschaftliches Engagement ist wichtig. Die völkischen Siedler in unserer Umgebung werden zwar vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet, allerdings agierten die Gruppen vor Ort so vorsichtig und nach außen hin unauffällig, dass dieser keinen Anlass zum Eingreifen habe. Deshalb sollten sich die Bürger laut Raabe zusammenschließen und offen austauschen sowie Aufklärung leisten, sodass der völkischen Szene entgegengewirkt werden kann.

Was kann ich selbst gegen den wachsenden Einfluss der rechten Szene tun?

„Jeder und jede Einzelne sollte wach sein, sich informieren und die Chance wählen zu gehen, wahrnehmen“, ist das Statement, das Martin Raabe abschließend hervorhebt. Selbst wenn man als Jugendliche*r noch nicht wahlberechtigt ist, kann man schon klare Position beziehen, sich gezielt von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ und rechten Ansichten abgrenzen und seinen Beitrag zu einer vielfältigen, offenen und gerechten Gesellschaft leisten.

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